Freitag, 8. März 2013

Peoplewatching (alt)


Dies ist ein älterer Text: 18.10.2012
Viel Spaß! :)


Ich liebe es Leute zu beobachten. Das ist in meiner Familie allerdings auch Traditionssport und gehört bei Reisen besonders dazu. Ich kann mich dran erinnern, wie ich als kleines Mädchen zwischen meiner Mutter und meiner Oma auf einer Sonnenliege im Urlaub unter einer Palme lag, vor uns der zentrale Weg zwischen Strand und Pool und wie wir uns Stunden über Stunden damit beschäftigt haben über unsere Klatschzeitschriften zu spähen und die Leute zu beobachten und uns über unsere Beobachtungen auszutauschen. Das Beobachten ist dabei nicht unbedingt wertend, kann es aber durch aus auch mal sein. Auf jeden Fall macht es wahnsinnig viel Spaß einfach nur die Leute ein wenig kennen zu lernen ohne sich dabei der umständlichen sozialen Konventionen des Kennenlernens bedienen zu müssen.

Für mich gibt es deshalb auch keine schöneren Orte auf der Welt als Flughäfen. Auf Flughäfen kann man Leute aller Hautfarben, Religionen, Kulturen, Formen und Sozialstatus sehen. Man kann sehen, wie sich die einen von ihren geliebten Verwandten, Partnern, Freunden und Bekannten verabschieden und manche von einem Gate zum anderen flitzen, um ja nicht den Flug nach Hause zu verpassen.

Außerdem kann man noch die jungen Paare sehen auf dem Weg in die Flitterwochen. Nicht die kleinste Millisekunde können diese ihre Hände voneinander lassen. Im Gegensatz dazu sind da auch die Pärchen, die schon einige Jahre gemeinsam verlebt haben. Verträumt wirft SIE dabei dem frisch verheirateten Pärchen einen Seitenblick zu, wird aber schnell von der Realität geweckt, weil ihr Eis-schleckender 5-Jähriger gerade dabei ist, die lauthals schreiende 3-Jährige in den Auswurf der Kuscheltiergreifanlage zu stecken, damit sie ihm den grün-gelben Drachen herausfischt. ER hingegen schaut das Pärchen eher mitleidig an, schüttelt leicht den Kopf, zieht die Träger des überdimensionalen Rucksackes hoch, aus dem der gigantische Kopf eines rosa-weiß-farbenden Einhorns mit lila-glitzer Horn hervorguckt, und schiebt den Kinderwagen vor sich her.

An ihm vorbei drängelt sich eine weitere Sorte Mensch, die man immer auf Flughäfen anzutreffen vermag: ein Geschäftsmann. Die Aktentasche in der linken Hand, den kleinen praktischen BOSS-Trolli in der rechten, schliddert er auf seinen blank polierten Schuhen und mit wehender lilafarbener Seidenkravatte an den Pfützen vorbei, die das Eis des 5-Jährigen auf dem eh schon schmuddeligen Boden der Flughafenvorhalle hinterlassen hat.

Dann gibt es da die Weltreisenden, die Abendteurer, die tieftauchenden, Berge erklimmenden, mit Survival-Packs ausgerüsteten jungen Frauen und Männer, die frohen Mutes irgendwo auf dem Boden sitzen und in einen Sprach- oder Kulturführer vertieft sind. Neben ihnen stehen riesige Bergsteiger-Rucksäcke mit Isomatte, 1-Mann-Zelt und dem alten Blechgeschirr aus der lang vergangenen Bundeswehrpflichtzeit ihres Vaters. Auf der bunten Pumphose und auf der alten Lederweste von Mama sind die Peace-Zeichen aufgenäht und in die Haare sind irgendwelche bunten Perlen eingeflochten. „Alles ist easy, bloß keinen Stress“ – ist hier die Devise.

Anders als diese jungen Frauen und Männer, hat das Rentnerpärchen eindeutig die abenteuerlustige Zeit ihres Lebens schon hinter sich gebracht. Müde sitzt sie auf dem schönsten Plätzchen in der Wartehalle und beobachtet ihren Mann, der an der Glasscheibe steht und wiederum den Flugzeugen beim Starten und Landen zuschaut. Wenn er sich dann zu ihr setzt, beschweren sie sich lauthals ein wenig über die Sounds aus der Playstation Portable, mit der der missmutige Teenager ihnen gegenüber spielt.

Leider kann der sie nicht hören, weil sein Hörnerv gerade dabei ist, die lieblichen Klänge von Frei.Wild zu verarbeiten, die aus seinen iPod-Kopfhörern in seine Ohrmuschel übertragen werden. Seine Mutter ist dagegen dabei ihre weiße Chanel-Handtasche vor den klebrigen Fingern des neben ihr sitzenden Kleinkindes in Sicherheit zu bringen und ist nur froh, dass ihr verwöhnter kleiner Liebling aus dem Klebrige-Finger-Alter raus und in die bizarre Welt der Zombieapokalypse eingetaucht ist und sich nicht mehr gegen den gemeinsamen Urlaub sträubt.

Im Gegensatz zu ihr ist die schwarze Übermama gerade dabei an ihre ungefähr 14 Kinder jede Menge Süßigkeiten und Kommandos in irgendeiner fremden Sprache zu verteilen während sie wild gestikulierend ihrem, am Smartphone hängenden Mann, irgendeine wahnsinnig wichtige Botschaft zu übermitteln versucht.

Die einzige, die außer mir noch ruhig dasitzt und die größtenteils hochgradig gestressten Urlauber betrachtet, ist die Nonne auf dem Weg von oder zurück von irgendeiner Pilgerfahrt. Die Bibel im Schoß, die Hände gefaltet, genießt sie den Trubel, der so ganz erfrischend ist, wenn man ansonsten im Kloster lebt.

Ich hab zwar so schon genug Stress, aber in der Stunde, in der man eh nichts machen kann außer warten, kann ich am einfachsten abschalten, wenn ich den Stress der Anderen beobachte und mich auf meinen ruhigen und entspannten Urlaub freue.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen