Ich möchte euch eine kleine Geschichte erzählen, die so halb wahr geschehen ist. Welche Hälfte davon wahr ist und welche nicht, sollt ihr beurteilen.
Es war neulich Nacht.
Ich liege in meinem Bett und schlafe.
Das ist nicht weiter ungewöhnlich, denn es ist halb sechs Uhr früh und ich
bin vor zwei Stunden ordentlich angeheitert nach einer von Rotwein und Jack Daniels
befeuchteten musikalischen Jamsession in mein 1,60 x 2,00-Meter Bett gefallen
und sogleich in ein komatöses Nimmerland abgetaucht.
Plötzlich aber schrecke ich auf, als ich ein lautes
Schreien vernehme, setze mich aufrecht hin und suche hektisch nach der unterm
Bett versteckten guseisernen Pfanne von Oma, die da vor sich hinrostet. Welcher
Dieb hat sich denn in meine Studentenwohnung verirrt? Wenn der beginnt hier
nach Geld zu suchen, dann helfe ich ihm gerne, nachdem ich ihn fertig
ausgelacht habe.
Ich vernehme wieder ein lautes Schreien, was sich
jetzt mehr anhört, als würde irgendwer ein alte, kranke Katze foltern. Meine
Nackenhaare stellen sich auf und ich schließe meine Hand fester um den Griff
der Pfanne. Barfuß bahne ich mir einen Weg durch das ganze Gerümpel auf meinem
Boden und suche den Lichtschalter an der Wand. Kurz darauf fällt ein
türkisfarbener Schein durch meinen, von einer billigen Energiesparlampe
hinterleuchteten, blauen 1,99-Ikea-Reispapier-Lampenschirm namens Regolit und
vertreibt die totale Finsternis aus meinem Schlafzimmer.
In dem Moment als ich die Türklinke herunter drücken
will, fängt plötzlich der Boden an zu vibrieren. Mein Blick fällt auf das
Ikea-Wasserglas neben meinem Bett, was auf einem wackligen Stapel
aufeinandergetürmter Fantasyromane steht. Das Wasser darin schwappt bedenklich
und erinnert mich an eine sehr berühmte Szene aus dem Film Jurassic Park.
Schwupps habe ich die Titelmelodie im Ohr und verfluche jetzt schon meine
Fantasie, die sich ausmalt, welche Ungeheuer wohl alle ein Stockwerk tiefer
lauern und nur auf ein warmes, schlaftrunkendes Mädchen in Rotweinsoße warten.
Sowohl den Rotwein als auch die Pfanne und den Verdauungsschnaps bringe ich ja schon mit.
Was soll ich tun? Ich greife nach meinem Smartphone
und will eine Nummer wählen, doch wie zur Hölle ging nochmal dieses
Tastensperrmuster, was ich mir lustiger Weise vor wenigen Stunden nach dem
vierten Jack Daniels neu überlegt hatte? Also so auf jeden Fall nicht.
Irgendein komisches Wischmuster später gelange ich endlich auf den
Startbildschirm, auf dem sogleich alle sehr dringend erscheinenden Instagram-,
Facebook-, What’sApp-, SMS-, Twitter- und Tumblr-Nachrichten erscheinen. Ich wühle
mich hindurch und gelange zu dem grünen Telefonikon. Leider scheinen die Zahlen
und Buchstaben sich vor mir verstecken zu wollen und tanzen lustig
durcheinander.
Ein weiteres Geräusch dringt an mein Ohr und lässt
mich schaudern. Es hörte sich an, als hätte sich grade eben im Treppenhaus ein wütendes Nashorn
übergeben. Mir fällt vor Schreck mein Smartphone und die guseiserne Bratpfanne
aus der Hand, wobei letztere auf meinem Fuß landet und mir somit einen
Tarzan-ähnlichen Schrei entlockt.
Plötzlich verstummen die Geräusche und auch der
Boden hört auf zu vibrieren und ich vernehme eine Stimme, die sagt: „Hast du
das auch gehört?“ – „Ja, keine Ahnung was das war. Geh mal gucken, ob was
draußen passiert ist!“
Ich höre Schritte auf dem Dielenboden der Wohnung
unter mir und mir wird klar, dass ich mich nicht, wie erwartet, einem
Drachen-Vampir-Zombie oder einer Horde mutierter Dschungeltiere stellen muss,
sondern mich einfach nur auf die Suche nach Ohropax begeben muss. Mit meinem
Tarzan-Schrei und der aufschlagenden Pfanne auf dem Boden habe ich anscheinend
ein amouröses Abenteuer meiner Nachbarn unterbrochen. Mir fällt ein Stein vom
Herzen und ich sinke auf mein Bett. Die Pfanne wandert unter eben dieses und die
Ohropax aus der Schublade in meine Ohren. Jetzt kann ich ja beruhigt
weiterschlafen und mich von dem wieder einsetzenden Schwingen des Dielenbodens in den Schlaf wiegen
lassen.
Ich hoffe, es hat euch Spaß gemacht!
Hiermit wünsche ich euch einen geruhsamen Schlaf in den nächsten Nächten und denkt daran, es ist immer gut, wenn man eine Bratpfanne unter dem Bett hat!
Eure Charlotte